Ein paar Tage später, saß Dorflin an seinem Schreibtisch.
Vor ihm lag das Mathebuch, aber…
Er starrte nicht auf die Zahlen.
Er dachte an etwas ganz anderes.
In seinem Kopf sah er einen Wald – alt und geheimnisvoll.
Mit Bäumen, deren Äste sich wanden wie Schlangen.
Es waren die Süntelbuchen.
Dorflin liebte sie.
Sie waren anders als alle anderen Bäume – so verdreht, so lebendig, so magisch.
Er schob das Mathebuch zur Seite.
Stattdessen holte er seinen Zeichenblock.
Mit feinen Strichen malte er die Bäume.
Zwischen die Äste setzte er kleine, leuchtende Punkte – wie Sterne.
„Vielleicht steckt wirklich Magie in ihnen“, flüsterte er.
Er erinnerte sich an einen Nachmittag im Herbst.
Die Süntelbuchenallee lag im goldenen Licht.
Die Schatten auf dem Waldboden sahen aus wie Geschichten.
Und Dorflin war sich sicher gewesen:
Etwas hatte ihn beobachtet.
Plötzlich hielt er es nicht mehr aus.
Er packte seinen Rucksack und rannte los –
über den Marktplatz, durch den Kurpark, am Schlösschen vorbei –
bis zur Süntelbuchenallee.
Er blieb stehen.
Lauschte.
Der Wind bewegte leise die Blätter.
Alles war still.
Doch Dorflin spürte: Hier war mehr.
Er hörte ein Rascheln.
Drehte sich um.
Und dann… sah er sie.
Eine Gestalt, eingehüllt in Licht.
Mit schulterlangen, weichen Haaren.
Augen, so klar wie Wasser.
Ein Lächeln, das wie Zauberei war.
„Du bist Dorflin, nicht wahr?“
Ihre Stimme war leise und schön –
wie ein Lied, das nur der Wald kannte.
Dorflin nickte.
Er wusste sofort: Das war Nennia.
Die Hüterin der Süntelbuchen.
Er hatte sie noch nie gesehen.
Aber irgendwie kannte er sie schon immer.
„Die Süntelbuchen haben dich zu mir geführt“, sagte Nennia und legte ihre Hand an einen Baum.
„Sie haben eine Kraft. Aber nur wenige spüren sie.“
Dorflin wollte etwas sagen, aber es kam nur ein Flüstern:
„Kann ich die Magie auch spüren? So wie du?“
Nennia nickte.
„Magie ist überall. Du musst nur die Augen und das Herz öffnen.
Dann erzählen dir die Bäume ihre Geschichten.“
Dorflin legte zögernd seine Hand auf die Rinde.
Er fühlte das kühle Holz…
und dann – ein Kribbeln.
Ganz sanft.
Als ob der Baum lebendig wäre.
Als ob er ihm etwas zuflüsterte.
Dorflin schloss die Augen.
Er hörte das Rascheln der Blätter.
Er spürte die Wurzeln tief in der Erde.
Und plötzlich war da ein Gefühl in seiner Brust –
ganz warm, ganz mutig.
„Ich wusste es“, flüsterte er.
„Ich wusste, dass sie besonders sind.“
Nennia schaute ihn an.
Und in ihrem Lächeln lag etwas ganz Besonderes:
Vertrauen.
Hast Du auch schon mal das Gefühl gehabt, dass ein Baum oder eine Blume Dir etwas erzählen möchte?